PRTF - Perry Rhodan Technik Forum

Unternehmen STARDUST -
Perry Rhodans erstes Raumschiff unter der Lupe


(c) Martin Marheinecke 17.05.2000

Manchmal lohnt es sich, Science Fiction von "gestern" hervorzukramen, vor allem, wenn sie "Vorhersagen" enthält, die inzwischen von der Zeit eingeholt wurden. Wo hatten die Autoren damals recht - und wo lagen sie schief? Wie beeinflußte der "Zeitgeist" ihre Arbeiten? Und wenn es "anders" gekommen ist, hätte das, was die eifrigen SF-Schreiber sich damals ausdachten, unter anderen zeitgeschichtlichen Umständen Wirklichkeit werden können?
Greifen wir also zum Perry Rhodan-Band Nr. 1, "Unternehmen Stardust", von K. H. Scheer. Er erschien im September 1961, nur fünf Monate nach Juri Gagarins erstem Raumflug und drei Monate, nachdem US-Präsident John F. Kennedy in seiner berühmten Rede für beiden Häusern des Kongresses gefordert hatte "bis zum Ende dieses Jahrzehnts einen Menschen auf dem Mond zu landen und sicher zu Erde zurück zu bringen."
Auf den ersten Blick lagen Karl-Herbert Scheer und Mitstreiter Walter Ernsting (alias Clark Darlton) im Lichte der tatsächlichen Ereignisse etwas daneben: Um volle zwei Jahre, um genau zu sein. Bezeichnender als dieses "Künstlerpech" ist, daß Neil Armstrong Zivilist war und für eine zivile Behörde flog. Perry Rhodan war Major und flog für die U.S.Space Force, einem Air Force-Ableger und führte auf seinem Flug sogar Waffen mit. Nun gut, darüber kann man heute schmunzeln. Mehr zu denken gibt die Mondrakete selber. Wieso unterscheidet sich die STARDUST 1 so sehr von APOLLO 11 und der Saturn 5? Und wäre die STARDUST zu realisieren gewesen?
Für die Antwort müssen wir in die Zeit zurückgehen, als Scheer sich von seiner von den Z. b. V.-Romanen und ähnlichen rasanten SF-Thrillern heißgeschossenen Schreibmaschine zurücklehnte und die technischen Daten für die STARDUST ausarbeitete. Er schrieb hierzu 1986 im "Perry Rhodan Werkstattband", daß er sich dabei an das von Braunsche Konzept einer Großrakete angelehnt hätte. In der Tat ähnelt die STARDUST-Startrakete sehr stark dem Entwurf, den der Raumfahrtingenieur und "Vater der Saturn-Rakete" 1952 in der US-Illustrierten "Colliers" veröffentlicht hatte, und der sich auch in dem 1953 in deutscher Ausgabe erschienenen Buch "Station im Weltraum", DEM Raumfahrtbuch der 50er Jahre, findet.Wie stellte sich Wernher von Braun 1952 den Mondflug vor? Er ging davon aus, daß zunächst einmal eine Raumstation in einer Erdumlaufbahn gebaut werden würde. Dort würde man ein speziell für den Weltraum konstruiertes Mondlandefahrzeug (den "Moonstepper") zusammenbauen, das dann den eigentlichen Mondflug durchführen würde.
Teile diese ursprüngliche Konzepts finden sich in "Unternehmen Stardust" wieder. Die USA haben eine bemannte Raumstation, FREEDOM 1, und in der Tat wird auch in "Perry Rhodan" die Möglichkeit, von dieser Station aus zu starten, erwähnt.
1971 schon eine offenbar recht große bemannte Raumstation? Scheer lag damit näher an der Realität diese Jahres, als vielen heute bewußt ist. Es gab tatsächlich 1971 eine erste kleine Raumstation, nämlich SALJUT 1. Die sowjetischen Kosmonauten Georgij Dobrowolskij, Wladilaw Wolkow und Viktor Patsajew verbrachten immerhin 23 Tage im Orbit. Leider fand die Besatzung bei der Rückkehr am 6. 6. 1971 wegen einer undichten Luke den Erstickungstod. Die US-Raumstation SKYLAB startete nur 2 Jahre später. Mit immerhin 100 t Masse und 37 m Länge war sie, bis die MIR rund zwanzig Jahre später ihre Endausbaustufe erreicht hatte, für lange Zeit der größte bemannte Raumflugkörper. In den 60er Jahren kursierten Pläne der US Air Force für eine kleine "Minimal-Raumstation", das MOL (Manned Orbiting Laboratory"), das bei zügigem Entwicklungstempo schon Ende 1967 (!) mit einer Titan III-Rakete hätte gestartet werden können. Da der Etat der Air Force jedoch in den 60er Jahren hauptsächlich für den Vietnamkrieg aufgewendet wurde und das APOLLO-Projekt der NASA Priorität genoß, stockte das MOL-Projekt immer mehr, bis es 1969 aus finanziellen Gründen endgültig begraben wurde. Bei etwas anderen Prioritäten (ohne Vietnam und mit einem General Lesley Pounder, der dem Kongreß in Washington mühelos alle nötigen Mittel aus dem Kreuz leiert) wäre eine US-Station in der Art der MIR (oder größer) 1971 völlig realistisch gewesen.

Allerdings entschied sich Scheer nicht für das "Raumstations"-Verfahren. Das ist aus der Sicht der damaligen Zeit verständlich. Kennedy hatte zwar seinen berühmten "Startschuß" für das Mondprogramm noch nicht gegeben, als Scheer am 26. 3. 1961 das Manuskript des ersten PR-Romans ablieferte. Sein Zeitplan "zum Mond innerhalb von gut Jahren" war aber ähnlich knapp - wer damals einen Raumfahrtexperten nach dem ersten bemannten Mondflug fragte, bekam nicht selten die Antwort "in diesem Jahrhundert wohl nicht mehr". Selbst von Braun rechnete mit einer längeren Phase, in der man sich "langsam an den Mond herantasten" würde. APOLLO war ein technisch gewagtes Crash-Programm, STARDUST ebenfalls.
Scheer erwähnt die Schwierigkeiten, die es beim Zusammenbau des Raumschiffs in der Umlaufbahn gäbe. Der Bau des Schiffes auf der Erde sei letztlich preiswerter. Für den Stand der 60er Jahre stimmt das sogar. Ob Menschen unter den Bedingungen der Schwerelosigkeit überhaupt zu koordinierten Arbeiten fähig sein würde, war noch umstritten. Scheer war, wie man an den (im doppelten Wortsinn) üblen Raumerfahrungen seiner "ZbV."-Helden erkennt, eher skeptisch. Selbst nach den ersten Raumflügen wußte man nicht, ob es möglich sei, im Raumanzug außerhalb eines schützenden Raumfahrzeugs frei schwebend Montagearbeiten zu verrichten, wie es heute beinahe Routine ist. Die Erfahrungen der GEMINI-Raumflüge sprachen nicht unbedingt dafür. So nahm die NASA 1968 von ihren Plänen abstand, SKYLAB erst im Orbit auszurüsten, und schickte die Station lieber komplett fertiggestellt ins All. (Es war ironischerweise SKYLAB, bei dem sich Astronauten erstmals erfolgreich als "Außenbordarbeiter" bewährten, um Schäden an der Station zu beheben.)

Als 1961 das APOLLO-Programm (und die "Perry Rhodan" Serie) gestartet wurden, waren folgende Mondflugverfahren in der Diskussion.
1. Die schon erwähnte elegante Raumstationsmethode. Nachteile: sie würde relativ viel Zeit in Anspruch nehmen, wäre anfangs sehr teuer gewesen (später hätten sich die Anfangsinvestitionen bezahlt gemacht) und es war noch ungewiß, ob man im Orbit überhaupt ein Raumschiff montieren könne.
2. Die "Gewaltmethode": Den Bau einer gewaltigen Trägerrakete namens Nova (weitaus größer und leistungsfähiger als die schon in Entwicklung befindliche Saturn 5), für ein auf der Erde gebautes Raumschiff, das groß genug wäre, direkt auf dem Mond zu landen und von dort wieder im unmittelbaren Flug zu Erde zurückzukehren. Nachteil: Diese Methode wäre die bei weitem kostspieligste gewesen. Außerdem war es mehr als fraglich, ob die "Monsterrakete" Nova überhaupt vor 1970 flugbereit zu machen wäre (von einem bemannten Start ganz zu schweigen).
3. Die "Rendezvous im Erdorbit"-Methode (EOR) (1961 von Wernher von Braun favorisiert): Das Mondschiff, das direkt auf der Mondoberfläche landen und wieder starten kann, wird auf der Erde gebaut und unbetankt mit eine Saturn 5 gestartet. Eine weitere Saturn 5 bringt den Treibstoff für den eigentlichen Flug in den Orbit, wo das Mondschiff betankt wird. Nachteil: das Tankmanöver wäre sehr riskant gewesen, und außerdem bräuchte man für jeden Mondflug gleich zwei Raketen.
4.  Die "Beiboot"-Methode ("Lunar Orbit Rendezvous" LOR), von einen eher untergeordneten Ingenieur des Langley-Forschungszentrums namens Dr. John Houbolt Anfang 1961 in die Debatte geworfen. Eine einzelne Saturn 5 bringt ein relativ kleines Raumschiff, das nicht für eine Mondlandung ausgerüstet ist, und eine extrem leicht gebaute Mondfähre auf Mondkurs. In der Mondumlaufbahn steigen zwei Astronauten in die Mondfähre um, landen, kehren mit der Oberstufe der Mondfähre zum Mutterschiff zurück, mit dem sie dann zur Erde zurückkehren würde. Trotz vieler Bedenken entschloß sich die NASA für diese dann später wirklich beim APOLLO-Projekt verwendete Methode.
Für den außenstehenden Raumfahrtenthusiasten sah es 1961 jedoch so aus, als hätte man nur mit der "Gewaltmethode" eine realistische Chance, bis ca. 1971 einen Mondflug möglich zu machen. Deshalb ging auch Scheer im Prinzip von ihr aus.

Kommen wir nun zur Trägerrakete. Die STARDUST benutzt die Erststufe der Pluto-D-Rakete, die sich schon beim Bau der Raumstation bewährt hätte. Ein Vergleich dieser Rakete zur Saturn 5 und zum Space Shuttle ist recht interessant:

 

Saturn V:

N 1:

Stardust:

Space Shuttle

Gesamthöhe:

110,6 m

107 m

91,6 m 

47 m  (Orbiter: 37,2 m)

Startgewicht incl. Nutzlast:

2840 t

2682 t

6850 t

2350 t

Nutzlast:

       

für Erdumlaufbahn (ca. 250 km)

115 t

110 t

ca. 200 t

110 t (davon 34 t Fracht) 

Für Mondflug:

47 t

45 t

64,2 t

ca. 4 t (mit Centaur-Zusatzstufe)

Erste Stufe:

       

Höhe:

42 m

30 m

36,5 m

47 m (Booster: 45,4 m)

Anzahl der Triebwerke:

5

30

42

3 (+ 2 Feststoffbooster)

Startschub:

3400 t

4400 t

13600 t

2850 t

Brennschlußhöhe:

61 km

?

88 km

116 km (Booster: 60 km)

Brennschluß- Geschwindigkeit:

9650 km/h

?

10115 km/h

27900 km/h (mit OMS)

Daten zur Erststufe sind beim Space Shuttle nicht ganz vergleichbar, er ist technisch gesehen eine "eineinhalb-Stufenrakete".)

Die "Pluto-D"-Erststufe ist also wahrlich ein gewaltiges Geschoß, die in ihren Startschub sogar die "Nova" (geplante 5500 t) übertrifft. Andrerseits ist sie eher primitiv: das Verhältnis von Gesamtmasse zur Nutzlast in Erdumlaufbahn ist bei der Saturn 5 etwa 24,7 : 1, beim Shuttle deutlich günstiger, nämlich 21,36 : 1, bei der Ariane 5 ist das Verhältnis sogar noch etwas besser, etwa 20 : 1. Bei der Pluto D ist das Verhältnis 34,25 : 1. Das entspricht in etwa dem Verhältnis der meisten damaligen Trägerraketen und ist immerhin sehr viel besser als bei der damals, 1961, größten Rakete, der russischen "Wostok A1", mit ca. 48 : 1. (Das heißt: 48 Tonnen Rakete und Treibstoff waren nötig, um eine Tonne Nutzlast in den Orbit zu wuchten.)
 

Die Leistung der einzelnen Pluto-D-Triebwerke ist vergleichsweise bescheiden: jedes von ihnen bringt 323,8 t Schub. Das Saturn 5 Triebwerk F-1 schaffte dagegen 680 t, ein (sehr viel kleineres) Shuttle-Haupttriebwerk SSME immerhin 1600 kN, also ca. 162 t. Das leistungsstärkste Triebwerk anno ´61 war das H-1 der amerikanischen "Atlas"-Rakete, es brachte ca. 60 t Schub. Es fällt auch auf, daß die Pluto D ca. 2,4 mal mehr Startschub als die Saturn 5 braucht, um nur das 1,4 fache an Nutzlast zum Mond und das 1,7 fache auf die Umlaufbahn zu bringen. Sie ist also nicht gerade effizient.Warum war Scheer, sonst in technischen Dingen nicht gerade als zimperlich bekannt, bei seiner Trägerrakete so konservativ? Er liebte es, seine Romane mit technischen Daten zu "würzen", um sie authentischer wirken zu lassen. Da er hierbei, im Gegensatz zu vielen anderen SF-Autoren, leeres Kauderwelsch ("Techno Babble") tunlichst vermied, blieb ihm auch kaum eine andere Wahl, als diese Daten aus dem "Standardwerk" "Station im All" abzuleiten. Diese Daten waren aber 1961 nicht mehr ganz aktuell, denn von Braun ging, als er das Buch schrieb, vom Stand der Technik von 1952 aus. Schon rein äußerlich ähnelt die STARDUST 1 auf Ingolf Thalers Rißzeichnung stark der in "Station im All" abgebildeten Rißzeichnung einer schweren Trägerrakete. Sie ist nur deutlich stärker als diese. NOVA

NOVA - Entwurf: W. v. Braun

Wie aber kam Scheer aber auf einen so ausgefallenen Brennstoff wie N-Triäthyl-borazon? Die Verbindung n-Triethyl-boran (korrekte Schreibweise, Borazon ist eine diamantähnliche Bornitrid-Modifikation) gehört zur Klasse der Alkylborane, die tatsächlich vorzügliche Raketentreibstoffe abgeben. Die Nachteile: Sie sind aggressiv, explosionsgefährlich und sehr giftig. Außerdem ist dieser Treibstoff extrem teuer. Nun, Wernher von Braun schlug als Brennstoff für seine Rakete 1952 Hydrazin vor. Hydrazin, genauer gesagt, N,N-Dimethyl-Hydrazin, hat den Vorteil, das es sich mit HNO3 vermischt spontan entzündet (eine "hypergole" Brennstoffkombination). Man braucht also keine Zündvorrichtung, die Rakete wird (theoretisch) zuverlässiger und einfacher - und extrem schnell "Alarmstarbereit". Die hohen Schubwerte einer LOX/Kerosin-Rakete erreicht man mit Hydrazin und Salpetersäure aber nicht. Deshalb experimentierte man Ende der 50er Jahre mit Akylboranen, um die vor allem für militärische Raketen wertvollen Eigenschaften des Hydrazins mit einer rund 1,8 fachen Schubkraft zu verbinden.
Schon eine HNO3-Hydrazin-Rakete ist jedoch extrem unfallgefährlich: Eine von der rauchenden Salpetersäure zerfressene Dichtung oder ein kleines Leck im Brennstofftank - die Brennstoffkomponenten mischen sich - sie entzünden sich selbsttätig - und die Rakete fliegt (anders als geplant) in die Luft.

Am 25. Oktober 1958 kam es zum bisher schwerster Raumfahrt-Unfall. Nach Angaben von James Oberg handelte es sich dabei um eine R-16, dem Nachfolgemodel des "Arbeitspferdes" R-7, das schon den ersten Sputnik in den Orbit gebracht hatte. Die R-16 sollte wie die R-7 sowohl als militärische Interkontinentalrakete wie als Trägerrakete verwendet werden - als einer der ersten spektakulären Einsätze war der Start der ersten Marssonde vorgesehen. Die Rakete hob bei einem Startversuch in Anwesenheit des Chef der Raketentruppen der Sowjetarmee, Feldmarschall Nedelin, nicht ab. Eine große Zahl Techniker näherte sich der Rakete, um nach dem Fehler zu suchen. Um Zeit zu sparen, enttankte man die Rakete nicht. Vermutlich steckte ein Techniker das Zündkabel in den Stecker der zweiten Stufe. Die zweite Stufe zündete. Sie zerstörte die Tanks der ersten Stufe, deren "hypergole" Brennstoffe HNO3 und Hydrazin äußerst heftig explodierten. Fast 100 Menschen, die sich nicht im Startbunker aufhielten, starben, darunter Nedelin. ("Offiziell" starb er bei einem Flugzeugabsturz, die R-16-Katastrophe wurde geheim gehalten.). Fast alle Gebäude und Anlagen im Umkreis von mehreren Kilometern wurden zerstört. Die "brisante" und überdies giftige Brennstoffkombination trug sicher ihrer Teil zu den hohen Zahl von Todesopfern bei, auch wenn ältere Angaben, das Unglück sei auf eine undichten HNO-Leitung die durch den Hydrazin-Tank führte, oder ähnliche rein "technische" Ursachen zurückzuführen, offenbart nicht stimmen.
Später setzte die UdSSR bei allen Großraketen jahrzehntelang fast ausschließlich auf die Treibstoffkombination HNO3/Kerosin, bis auf die UR 500 "Proton", die tatsächlich einigermaßen betriebsicher mit HNO3 und Dimethyl-Hydrazin betrieben werden kann - allerdings führt das giftige Hydrazin bei Unfällen zu schweren Unweltproblemen.
Zurück zur STARDUST: Ihr mutmaßlicher Brennstoff, n-Triethyl-boran, ist wie alle Alkylborane noch reaktionsfreudiger als Dimethylhydrazin und entzündet sich unter Umständen schon an der Luft. Alkylborane sind außerdem noch viel giftiger als Hydrazine! Für eine bemannte Großrakete wären sie damit wohl zu gefährlich, ganz abgesehen von ihrem hoben Preis. Möglicherweise entschied sich Scheer für n-Triethyl-boran, weil es der damals "neueste" Brennstoff war.

Saturn 5 Die Erststufe der "echten" Mondrakete Saturn 5 flog mit gewöhnlichen Kerosin als Brennstoff und LOX als Oxydator. Kerosin, das noch nicht einmal die für Düsenflugzeuge nötige Qualität haben mußte, war der billigste verfügbare Brennstoff (beim Kraftstoffverbrauch einer Trägerrakete nicht ganz unwichtig) und läßt sich leicht und sicher handhaben. Die beiden Oberstufen verwendeten die "Idealkombination" flüssiger Wasserstoff und flüssiger Sauerstoff, die heute auch in den Haupttriebwerken des Space Shuttles und der Ariane-Raketen verwendet wird. Bei der Saturn 5 setzte man auch wegen der besseren Massenverteilung - der Schwerpunkt beim Star sollte möglichst weit unter liegen - das gegenüber flüssigem Wasserstoff schwere Kerosin ein.

Saturn 5

Die Raketeningenieure bekamen, obwohl schon sehr früh mit Wasserstoff als Treibstoff experimentiert wurde, den schon bei - 252,78 Grad Celsius siedenden Flüssigwasserstoff nur schwer in den Griff. Vor allem die Verdampfungsverluste machten ihnen lange zu schaffen.
Die erste Flüssigwasserstoff-Rakete, die "Centaur," flog, nach einer schier endlos lange Serie von Fehlstarts, erst 1963. (Später erwies sich die "Centaur" als sehr zuverlässig. Sie leistet noch bis heute als Oberstufe der "Atlas-Centaur", der "Titan 3E" und der "Titan 4" gute Dienste. Eine modifizierte "Centaur" sollte auch im Space-Shuttle-Programm Verwendung finden, kam wegen des "Challenger"-Unfalls aus Sicherheitsgründen nicht zum Einsatz. Die UdSSR hatte bis zur "Energia" in den 1980er Jahre überhaupt keine operationelle Wasserstoff-Rakete, selbst die europäischen "Nachzügler" waren in dieser Hinsicht schneller. Wie man "Unternehmen Stardust" entnehmen kann, kannte Scheer die Probleme mit dem Wasserstoff.
 

Die Trägerrakete wäre technisch machbar gewesen. Allerdings ist sie trotz ihrer Größe nach dem Stand von 1961 konservativ (und dem von 1971 technisch veraltet). Selbst unter völlig anderen Ausgangsbedingungen hätte eine echte Mondrakete technisch wohl nie der Pluto-D entsprochen, schon gar nicht mit dieser gefährlichen und teueren Treibstoffkombination. Allerdings: mit dem Grundprinzip der "massiven Triebwerksbündelung" und der typischen Kegelform ähnelt sie äußerlich der N1,die für das Mondlandeprojekt der UdSSR vorgesehen war. Die N1 war allerdings deutlich leichter, eben "moderner". N1

N1

Das Raumschiff "STARDUST" selber wirkt, im Gegensatz zur Rakete, schon rein äußerlich für ein Anfang der 60er Jahre "entworfenes" Raumschiff ziemlich modern. Es entspricht in vielem dem Space Shuttle-Orbiter. Scheer lehnte sich sicher auch hier wieder an die wiederverwendbare Frachtrakete aus "Station im All" an, berücksichtigte aber auch modernere Entwürfe. Meines Erachtens geht die STARDUST in erster Linie auf den damals von der US-Air Force geplanten Raumgleiter X 20 "Dyna-Soar" zurück, der von einer leistungstarken Trägerrakete in einer Erdumlaufbahn getragen werden sollte. Es ist nicht ganz klar, was Scheer mit den 64,2 Tonnen Nutzlast des Mondschiffs meinte. Sicherlich nicht die Frachtkapazität. Ich gehe davon aus, daß er - den Gepflogenheiten der Raumfahrttechnik entsprechend - mit der "Nutzlast" einer Rakete die Masse gemeint ist, die sie zum Ziel bzw. in die vorgesehene Bahn trägt. Der Shuttle hat eine "Nutzlast" von 110 t, daß heißt, das System trägt 110 t in einen 320 km-Orbit. Davon fällt das meiste jedoch auf den Orbiter selber, die Nettofrachtkapazität für den Orbit beträgt nur 34 t. (Das ist, ganz nebenbei, auch der Grund, weshalb "Wegwerfraketen" Satelliten immer noch wirtschaftlicher in den Orbit bringen, bei ihnen liegen Nutzlast und Nettofrachtkapazität sehr eng beeinander.) Die STARDUST wiegt auf Mondkurs also voll ausgerüstet und mit Besatzung 64,2 t.
Das ist überraschend wenig. Die schweren (auf dem Mond völlig überflüssigen) Tragflächen, und der Hitzeschild für das ganze Schiff machten das Raumschiff noch viel schwerer als ein vergleichbares "reines Raumschiff". Für ein "trockenes Raumschiff" der Größe der STARDUST sind 64 t durchaus plausibel. Die 47 t des APOLLO-Systems (Kommandokapsel, Versorgung- und Triebwerksteil, Mondfähre mit Landestufe) waren aber gut zur Hälfte Treib- und Betriebsstoffe. Überschlägig gerechnet hätte die STARDUST, da sie "am Stück" landet und startet, mehr als das dreifache ihrer Leermasse an Treibstoff und Oxydator gebraucht. Ich bin mir ziemlich sicher, daß auch K. H. Scheer diese überschlägige Berechnung gemacht hat und zu dem Ergebnis "zu schwer" gekommen ist. Im Gegensatz zu seinem Kollegen Clark Darlton, der bei einer vergleichbaren Schwierigkeit im Roman "Das Weltraumabenteuer" einfach einen nicht näher bezeichneten "Wundertreibstoff" erfand, wählte er einen glaubwürdigeren Ausweg: das "kernchemische Atomstrahltriebwerk".
Auch diese Bezeichnung bleibt rätselhaft. "Kernchemisch" ist an sich ein Widerspruch, da sich die Chemie nicht um die Atomkerne kümmert. Plausibel wäre "kern-chemisch", d. h. die STARDUST hat einen kombinierten chemischen und kernenergetischen Antrieb. "Atomstrahl" ist redundant, ich nehme an, es steht nur da, weil es so gut klingt.

Das die STARDUST einen Kernenergieantrieb hat, paßt in die "Atom-Euphorie der Zeit. Damals plante man Atom-Flugzeuge, Atom-Lokomotiven und sogar Atom-Autos. Kernkraftwerke sollten in einfachen Fabrikhallen ohne irgendwelche Schutzvorrichtungen mitten in den Städten errichtet werden. K. H. Scheer folgte diesem Zeitgeist, wie man vor allem aus seinen "ZbV"-Romanen, in denen auch alles und jedes Atomantrieb hat, erkennen kann. Als technisch versierter Schriftsteller schilderte er - im Gegensatz zu den "Atom-Euphorikern" - auch die Nachteile dieser Technologie. Radioaktive Verseuchung ganzer Landstriche, Strahlenschäden und der Kampf um die allmählich knapper werdenden Uranvorräte sind wichtige Probleme dieser alten SF-Agententhriller. Es gibt kaum einen frühen "ZbV" ohne Strahlenunfall (Spötter meinen deshalb, ZbV stünde für "Ziemlich bald verstrahlt".)
Das Triebwerk der STARDUST entspricht im Prinzip jenen "Nuklarraketen", an denen sowohl in der USA (Projekte ROVER und NERVA, Mitte der 70er Jahre aus Geldmangel gestoppt) und in der UdSSR gearbeitet wurde. Bei diesen "einfachen" nuklearen Triebwerken wird flüssiger Wasserstoff mit einer Temperatur von minus 253 Grad Celsius in einen kleinen Reaktor gepumpt, wo er dann durch die Kernreaktion um mehrere tausend Grad erhitzt und durch eine herkömmliche Düse ausgestoßen wird. Die Probleme liegen im Detail: Zu schwere Reaktoren, die große Hitze, die herkömmliche Metalle zum Schmelzen bringt, Materialversprödung durch Strahlung usw. - und was ist mit der Abschirmung? Was geschieht bei einem Unfall? Den Entwicklungsingenieuren gelang es in über 30 Jahren Arbeit am "Atomtriebwerk" nicht, diese Probleme überzeugend zu lösen. Scheer war sich dieser Problemen bewußt - und er wählte einen für ihn typischen "Ausweg". Im Gegensatz zu den prinzipiellen technischen und naturwissenschaftlichen Problemen, bei denen sich Scheer stets um Glaubwürdigkeit bemühte, griff er bei "Werkstoffproblemen" gerne zu "Wundermaterialien". ("Wie konnte der Roboter nur dieser gewaltigen Explosion widerstehen?" - "Kein Problem, er besteht aus mit Karl/Herbert-Verbundwerkstoffen verstärktem Scheerium.") Bei der relativ "zeitnahen" STARDUST - sie hätte, wenn sie tatsächlich 1971 einsatzklar sein sollte, eigentlich 1961 schon in der Entwicklung sein müssen (Scheer war sich dessen durchaus bewußt) - hielt er sich vergleichsweise zurück. Er beschränkte sich auf seine mittlerweile legendären "molekülverdichteten Legierungen" die die Arbeitstemperatur von 3920 Grad Celsius gut überstehen. (Da ich mal Chemie studiert habe, wundere ich mich nur, wie man Metalle, die ja keine molekulären Vwerbindungen sind, "molekülverstärken" kann.)

Fazit: "Unternehmen Stardust" gehört ohne Zweifel zu den "besseren" "Hard-SF"-Romanen. K. H. Scheers Raumschiff ist - wenn man die Zeitumstände bedenkt - durchaus plausibel und durchdacht. Man hätte es jedoch schon aus Gründen des Katastrophenschutzes sicher nie so gebaut. (Zwei mit je mindestens 20 kg Plutonium - vielleicht sogar erheblich mehr - bestückte Reaktoren auf etwas, das nur als unberechenbare 4000t-Bombe bezeichnet werden kann.) Das nicht alles so ganz realistisch war, wußte er selber wohl ganz genau. Schließlich ist "Perry Rhodan" ja keine ausgearbeitete Projektbeschreibung.
Viele naturwissenschaftlich-technisch orientierte SF-Romane lesen sich so spannend wie eine Betriebsanleitung oder riechen so sehr nach Forschungslabor, daß man unwillkürlich nach Chemikalienspritzern auf dem Papier sucht. Scheer dagegen schaffte es in "Unternehmen Stardust" Spannung, interessante Charaktere, phantastisches Geschehen und reichlich Technik auf einen Nenner zu bringen. Die STARDUST war damit eine gute Trägerrakete für eine SF-Romanserie, die einmal die größte der Welt werden sollte.

Martin Marheinecke, 1998
(Durchgesehene und ergänzte Fassung 2000)
Literatur:
K. H. Scheer: "Unternehmen Stardust" (Nachdruck), Eichborn, Frankfurt/Main 1987
William Volz (Hrsg.): Perry Rhodan - Die dritte Macht, Moewig, Rastatt, 1978
Horst Hoffmann (Hrsg.): Perry Rhodan Werkstattband, Moewig, Rastatt, 1986
Cornelius Ryan (Hrsg.) Wernher von Braun: Station im All, Umschau, Frankfurt/Main, 1953
Arthur C. Clarke: Unsere Zukunft im Weltall, Fischer, Frankfurt/Main, 1970
Werner Büdeler: Projekt Apollo, Bertelsmann Sachbuchverlag, 3. erweiteterte Auflage, Gütersloh, 1970 Wernher von Braun, Frederik J. Ordway III: Raketen, Udo Pfriemer, München, 1979
Heinz A. F. Schmidt (Hrsg.) Lexikon der Raumfahrt, VEB Verlag für Verkehrswesen, Berlin, 1982
Hermann-Michael Hahn (Hrsg.): D1-Unser Weg ins All, Westermann, Braunschweig, 1985
Kurt R. Spillmann (Hrsg.): Der Weltraum seit 1945, Birkhäuser, Basel, 1988
Joachim Kutzner, Kurt Kobler: Der verlorene Traum, TCE, Hückeswagen, 1999
Mark Wade: "Encyclopedia Astronautica", Raumfahrt-Datenbank, im Internet: http://www.friends-partners.org/~mwade/

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