PRTF - Perry Rhodan Technik Forum

Teil 8 der Manual of Science

DER HALBRAUM UND PROF. DR. ARNO KALUP


(c) Rainer Castor 19.03.1998

Die Konfrontation mit sog. »Halbraum-Phänomenen« bescherte Terra einen über das arkonidische Erbe hinausgehenden, ersten Ansatz zu neuen Entwicklungen: Als im April 2042 die Heimstatt von ES, WANDERER, von einer Druuf-Überlappungsfront heimgesucht wurde, war es der Arkonide Atlan, dem es gelang, ein mathematisches Modell zu entwickeln. Wir verweisen an dieser Stelle auf seine Ausführungen, die am 24. April 2042 an Bord der DRUSUS aufgezeichnet wurden und seither Bestandteil der Ausbildung sind [aus PR 69]:

»Das Einstein-Kontinuum ist ein unanschauliches Gebilde, der Hyperraum ist es noch in weitaus stärkerem Maße. Wie könnte dann die Kreuzung zwischen beiden, der Halbraum, etwas anderes sein? Machen wir uns ein Modell. Stellen wir uns den Hyperraum als ein Gebilde vor, das um ein fünfdimensionales Achsenkreuz aufgespannt ist. Versetzen wir dieses Gebilde in Drehung und messen der einen Hälfte der fünfdimensionalen Kugel, die als Rotationsfigur dabei entsteht, eine höchst merkwürdige Eigenschaft bei: Sie verzerrt die Achsen, die sich jeweils in ihr befinden. Sie verkürzt sie, und zwar ist das Maß der Verkürzung eine stetige Funktion der Rotationsgeschwindigkeit. Beim Eintritt in die verzerrende Kugelhälfte hat die Achse noch ihre ursprüngliche Länge, dann beginnt sie sich zu verkürzen. In dem Augenblick, in dem sie die Hälfte des Weges durch die verzerrende Kugelhälfte zurückgelegt hat, ist die Achse völlig verschwunden. Danach beginnt sie wieder zu wachsen, und in der Sekunde, in der sie aus der verzerrenden Halbkugel austritt, hat sie ihre ursprüngliche Größe wiedererlangt. Da es sich um eine Halbkugel handelt und das Koordinatengerüst des Hyperraums aus fünf Achsen besteht, sind an der Verzerrung in jedem Augenblick zwei oder drei Achsen beteiligt, niemals mehr und niemals weniger. Das Wichtige ist nun, den Drehsinn des Koordinatengerüsts festzulegen... Da Wanderer in keinem Augenblick sichtbar ist, andererseits aber, nach den Signalen zu urteilen, die die Station Strukturtaster fortwährend empfängt, niemals völlig dem Hyperraum angehört, muß die fünfte, also die j-Achse, sich in einem Zustand dauernder Verzerrung befinden, ohne jemals ihre volle Länge zu erreichen und ohne jemals ganz zu verschwinden. Denn erreichte sie ihre volle Länge, befände sich Wanderer vollständig im Hyperraum, und die Taster würden keine Signale mehr empfangen. Verschwände sie jemals ganz, dann würde Wanderer im selben Augenblick auf den Bildschirmen auftauchen, denn Verschwinden der j-Achse bedeutet Rückkehr ins Einstein-Universum. Das also ist die Situation, in der Wanderer sich befindet. Natürlich ist der Zustand metastabil. Ein winziger Anlaß reicht aus, um den Halbraumeffekt verschwinden zu lassen.«

Erst später sollte klar werden, daß durch den »Halbraum« der Einstieg in eine neue Form überlichtschneller Fortbewegung ermöglicht wurde. Ende Dezember 2043 gelang es, ein Druuf-Überlichttriebwerk zu erbeuten sowie einen Druuf gefangen zu nehmen, der zur Technik seines Volkes befragt werden konnte. Schon nach vier Wochen war das Prinzip ausreichend exakt erkannt. Eine der am bekanntesten gewordenen Darstellungen der Wirkungsweise des Druuf-Antriebes stammte von Professor Peter K.H. Lawrence vom TIT, die - anders als er es sich vorstellte, Zitat: »Der Versuch, ein Bild, ein Modellbild zu entwerfen, geht hart an die Grenze des Erlaubten« - in die Lehrbücher der Technik einging und dort für Jahrhunderte unverändert blieb [aus PR 82]:

»Man kann ein Stück fester Materie erhitzen. Man kann ihm Wärme zuführen, und für jede Kalorie, die dem Stück zugeführt wird, erhöht sich seine Temperatur, je nach der spezifischen Wärme der Materie, um einen bestimmten Betrag an Graden. Aber man wird schließlich einen Punkt erreichen, an dem die zugeführte Wärme nicht mehr dazu verwandt wird, die Temperatur des Probestücks zu erhöhen, sondern dazu, seinen Aggregatzustand zu ändern. Nehmen Sie als konkretes Beispiel ein Stück Eis, H2O im festen Aggregatzustand, um es genau zu sagen. Wir fangen bei minus zehn Grad Celsius an, das Eis zu erwärmen. Je mehr Wärme wir ihm zuführen, desto höher wird seine Temperatur, bis wir den Wert null Grad Celsius erreichen. Wenn wir Eis bei null Grad Wärme zuführen, erwärmt es sich zunächst nicht weiter, sondern schmilzt. Es bleibt bei einer Temperatur von null Grad, bis es ganz zu Wasser geworden ist, also H2O-flüssig, und erst dann wird die zugeführte Wärme wieder verwandt, um die Materie, nun das Wasser, auf höhere Temperatur zu bringen. Die Wärmemenge, die wir bei null Grad zugeführt haben, ohne daß sich die Temperatur dabei erhöht hätte, nennen wir die Schmelzwärme des Eises, auf das Mol bezogen: Die molare Schmelzwärme.

T

Sie werden mich, zukünftige Galaktonauten, die Sie sind, fragen, was denn das schmelzende Eis mit Ihrem Beruf als Raumfahrer zu tun habe. Lassen Sie mich das Ihnen erklären: Sie führen ihrem Schiffstriebwerk Energie zu, und das Triebwerk erhöht die Geschwindigkeit Ihres Schiffes. Dieses Prinzip funktioniert, wie Sie wissen, nicht grenzenlos. Wir haben bisher geglaubt, daß wir eine ganz bestimmte Grenze, nämlich die Lichtgeschwindigkeit, auf diese Weise nicht überschreiten könnten.

Die Druuf glauben das nicht mehr. Ebenso wie wir führen sie ihren Triebwerken Energie zu, um die Geschwindigkeit zu erhöhen. Aber dann kommt der Punkt, an dem die zugeführte Energie nicht mehr dazu verwandt wird, die Geschwindigkeit zu erhöhen, sondern dazu, den Zustand des Fahrzeuges zu verändern - nennen Sie es meinetwegen den Aggregatzustand, um im Bild zu bleiben. Natürlich wird nicht aus dem bisher festen Schiff ein flüssiges Schiff, wie beim Eis, sondern der Zustand des Schiffes ändert sich in der Weise, daß es nach Zufuhr eines bestimmten Energiebetrages nicht mehr dem vierdimensionalen Kontinuum, sondern einem übergeordneten Raum angehört.

Es ist also ähnlich wie beim Eis: Die Funktion, die die Temperaturzunahme pro Masseneinheit und pro zugeführter Wärmemengeneinheit in Abhängigkeit von der Temperatur beschreibt, verläuft kontinuierlich bis zum Schmelzpunkt, dort hat sie eine Unstetigkeit, eine Zacke. Man sagt: Dort ist zu einer beliebig kleinen Änderung der Temperatur eine Zufuhr einer endlichen Wärmemenge notwendig. Ähnlich beim Druuf-Raumschiff: Geschwindigkeitszunahme pro Massen- und Energieeinheit, als Funktion der Geschwindigkeit aufgetragen, ist eine kontinuierliche Funktion - bis zu jenem Grenzpunkt. Dort entsteht eine scharfe Zacke, einer Delta-Funktion ähnlich. Sie markiert die Stelle, an der die zugeführte Energie dazu verwendet wird, das Schiff in einen anderen Ordnungszustand zu versetzen. Bitte, meine Herren, werten Sie das nicht mehr als einen Vergleich. Er hinkt sogar an mancher Stelle. Die Struktur der dem Triebwerk zugeführten Energie muß bedacht werden, außerdem die Art des Antriebs - und viele Dinge mehr. Was ich sagte, soll zu weiter nichts dienen, als Ihnen ein Bild von dem Vorgang als solchem zu verschaffen. Denken Sie daran, daß Sie sich in einem Bereich der Wissenschaft bewegen, für den die Unanschaulichkeit unabdingbare Forderung ist.«

Soweit Professor Lawrence. Um vom Grundprinzip des Vorganges zum praxisreifen Aggregat zu kommen, bedurfte es fast sechs Jahrzehnte und eines Genies wie Professor Doktor sc. hyp. (scientiae hyperphysicorum) Arno Kalup, ohne den diese Umsetzung mit großer Wahrscheinlichkeit deutlich länger gedauert hätte oder gar gescheitert wäre.

Durch Kalup wurde nicht nur die terranische Technik revolutioniert, durch ihn erhielten wir auch ein neues, besseres Verständnis übergeordneter Phänomene an sich. Arno Kalups großer Beitrag war, daß er - energisch, polternd und mit deftiger Sprache, wie sonst wohl! - darauf hinwies, daß die von den Arkoniden übernommene Betrachtungsweise hyperenergetischer Vorgänge zwar insbesondere für den Bereich der Hyperelektromagnetik äußert hilfreich und schlüssig war, für Beschreibungen anderer hyperenergetischer - und hyperphysikalischer Phänomene überhaupt - allerdings etliche problematische Seiten aufwies und in vielen Fällen gar keine Eignung hatte. Bei Halbraumtechnologie versagte das gewählte Modellbild nahezu vollständig. Kalup wörtlich: »Es ist zwar eine grundlegende Eigenschaft von Modellbildern, daß sie hinken, doch kann durch richtige Auswahl immerhin zwischen starkem Humpeln und leichtem Beinnachziehen gewählt werden...«

Er war einer der größten Hyperphysiker seiner Zeit und maßgeblich an der Halbraum-Erforschung beteiligt; er zeigte schon als Schüler ein besonders Gespür für hyperphysikalische Zusammenhänge und konnte als erster Terraner das von den Arkoniden übernommene Weltbild um entscheidende Erkenntnisse erweitern. Als Kalup Hyperphysik studierte und sich daran machte, seinen Doktortitel zu erwerben, waren die von den Druuf übernommenen grundsätzlichen Erkenntnisse hinsichtlich der Halbraumprinzipien rund dreißig Jahre alt. Dennoch kam die terranische Forschung nicht so recht voran - und es bedurfte wohl eines Genies wie Kalup, um sich aus den Zwängen, die die Vorgaben der arkonidischen Hyperphysik und Hypermathematik darstellten, zu befreien.

Deshalb soll an dieser Stelle kurz auf sein Leben eingegangen werden: Über Arno Hieronymus Kalups Geburtsdatum wurden ebenso zwiespältige Angaben wie über sein Todesdatum gemacht; »offizielles« Geburtsdatum war zwar der 17.4.2050 (PR-LEXIKON), tatsächlich hatte er aber schon am 3.7.2043 »das Licht der Welt erblickt« (gem. Angabe in PR 100!!). Es handelte sich um eine Kaiserschnitt-Notgeburt in den frühen Morgenstunden, weil die hochschwangere Mutter bei einer fehlgeschlagenen Entführung durch das ISC am 1.7.2043 in einen Transmitterunfall verwickelt wurde (Druuf-Überlappung - vgl. PR 87), das Neugeborene aber infolge hyperphysikalischer Einflüsse einer Art Stasis-Konservierung unterlag und später wegen »Massenschwankungen durch 5D-Fluktuationen« mehrere Jahre künstlich stabilisiert wurde. Der hyperenergetische Kokon baute sich nur langsam ab und erlosch am 17.4.2050. Die weitere Entwicklung verlief dann normal. Kalups Werdegang in Stichworten: Studium von 2071 bis 2077 am TIT (Promotion: Eineneue Maßeinheit für das hyperenergetische Spektrum? - Bewertung: summa cum laude), 2090 Entwicklung und Veröffentlichung des »Kalupschen Parallelwelten-Modells«, 5.1.2102 erste Zelldusche, ab 2326 Zellaktivator; Paratronunfall am 25.3.2440 (so die offizielle Redeweise, tatsächlich handelte es sich um ein Attentat der sog. Hydra-Assassinen), zunächst für tot erklärt, weil teilentstofflicht; erst am 5.8.2473 Rekonstitution dank Waringers erneutem Paratron-Einsatz, fortan aber von »Auflösungseffekten« bedroht; endgültiges »Verwehen« (Abdrift in Hyperraum?) am 17.11.2940 (vgl. SOL 3: ABSCHIED).

Nach ihm wurde das neue Überlicht-, Halbraum- bzw. Lineartriebwerk ebenso benannt - der Kalupsche Kompensationskonverter, kurz KALUP -, wie die bis zur Einsatzreife dieses Aggregats unbekannte Art einer mathematisch einfacheren Definition der Schwingungsfrequenzen übergeordneter, fünfdimensionaler Energieeinheiten [lt. PR 500]. Die Benennung der Einheit wie auch des Konverters nach seinem »Erfinder« brachte den als cholerisch bekannten Hyperphysiker zunächst ziemlich in Rage, dennoch »mußte« er sich dem Schiedsspruch einer Fachkommission beugen; daß er sich letztlich ziemlich geschmeichelt fühlte, steht außer Frage, doch er hätte dies nie zugeben.

Vermutlich war es der »verfahrenen Situation« zu verdanken - man kam keinen Schritt weiter! -, daß überhaupt auf die Ideen des jungen Mannes gehört wurde. Aber in der Not frißt der Teufel bekanntlich Fliegen, und es wird nach jedem sich nur bietenden Strohhalm gegriffen. Kalup erkannte natürlich seine Chance und entwickelte - ausgehend von intensiven Howalgonium-Untersuchungen - einen theoretischen Hintergrund, der sich nicht nur auf das Verständnis der hyperphysikalischen Phänomene insgesamt auswirkte, sondern vor allem in der Praxis als KALUP für lange Zeit die überlichtschnelle Raumfahrt prägen sollte.

Vorwort  1 - 2 - 3 - 4 - 5 - 6 - 7 - 9 - 10 - 11 - 12


Alle Beiträge unterliegen dem Copyright des entsprechenden Autors und dürfen nur unter Nennung des Autors und der Quelle weiterverarbeitet werden.
Alle verwendeten Markenzeichen sind Eigentum des entsprechenden Inhabers.
PERRY RHODAN ®, ATLAN ® und Mausbiber Gucky ® sind eingetragene Warenzeichen der Pabel-Moewig Verlag KG, D-76437 Rastatt.
Hier originär veröffentlichtes Material steht unter
Creative Commons License
Creative Commons Attribution-NonCommercial-ShareAlike 2.0 Germany License
.